Ortsgeschichte
Frühgeschichte Teil 1
Wenn wir von geschichtlichen Zeiträumen sprechen, was im Verlauf der Darstellung nicht zu vermeiden ist, so tauchen gelegentlich auch immer mal wieder die Zeiträume der Römerzeit, des Mittelalters und der Neuzeit auf. Um hier keine Unklarheiten aufkommen zu lassen, ist darauf hinzuweisen, daß die Römerzeit von etwa 200 v. Chr. bis 300 n. Chr., das Mittelalter von etwa 450 (nach der Völkerwanderung) bis etwa 1550 (nach der Reformation) anzusetzen ist, woran sich dann die Neuzeit bis heute anschliesst.
Was den Ort Osterspai im speziellen anlangt, so möchte man es als zweckdienlich erachten, die Römerzeit und einen Teil des Mittelalters, sozusagen das erste Jahrtausend, als Frühzeit zu definieren, weil es für diese Zeit nämlich sehr wenige und wenn, dann doch ziemlich unvollkommene Unterlagen gibt. Als Erklärung für diese informationsarme Zeit dürfte wohl sprechen, dass nicht alle Leute, die in dieser Zeit etwas mitzuteilen gehabt hätten, auch wirklich des Schreibens genügend kundig gewesen wären, um der Nachwelt schriftliches Zeugnis von wissenswerten Vorgängen vermitteln zu können. So müssen wir uns im wesentlichen an die Unterlagen halten, die uns meist von kirchlicher Seite überliefert worden sind.
Dabei handelt es sich im allgemeinen weniger um die Beschreibung des Lebens in Form von erzählerhaften Abhandlungen, so wie wir sie heute kennen, sondern vielmehr um Rechtsdokumente (Urkunden), die zum Beispiel ein Rechtsgeschäft wie Übertragung von Gütern oder Grundstücken beweisen sollten. Aber auch solche Urkunden treten verstärkt erst im 11. und 12. Jahrhundert auf. Dabei bediente man sich bis ins 14. Jahrhundert ausschliesslich der lateinischen Sprache, die aber auch nicht immer in Beachtung reinster grammatikalischer Regeln verwendet wurde. Diese beiden Jahrhunderte sind gleichzeitig auch die Zeit der weitverbreiteten Urkundenfäschungen. Man versuchte oft mit viel Geschick schriftliche Zeugnisse über geschichtlich weit zurückliegende Rechtsgeschäfte zu erstellen und bezeichnete diese Urkunden somit auch als alt, was lange Zeit denn auch geglaubt wurde.
Mit einem Wort: Wenn über das erste Jahrtausend schon kaum Unterlagen vorhanden sind, so müssen die im 11. und 12. Jahrhundert gefertigten Papiere ob ihres Wahrheitsgehaltes zumindest noch mit großer Vorsicht betrachtet werden. Von solchen Fällen der Fälschung weiß auch die Osterspaier Geschichte zu erzählen, wie wirnoch sehen werden. Aber nicht jede als solche erkannte Fälschung ist auch wirklich mit der Absicht des Betrügenwollens entstanden. Oft gab man auch aus reiner Freude am Niederschreiben von längst Vergangenem etwas wieder, was infolge dürftiger Fabulierungskunst zwar nicht stimmte, immerhin aber dennoch einen Kern von Wahrheit enthielt.
Es ist aber davon auszugehen, dass in den meisten Werken der Geschichtsschreibung die Frage, ob eine Urkunde als echt oder unecht anzusehen ist, ihre Berücksichtigung gefunden hat.
Frühgeschichte Teil 2
Verbindung zur römischen Besiedlung
Bevor unser Gebiet rechts des Rheins durch die römischen Legionäre erobert wurde, war das linksrheinische Gebiet schon rund 300 Jahre lang in römischem Besitz. Der Rhein bildete die Grenze zwischen Römern und Germanen. Erst gegen 80 n. Chr. schufen sich die Römer auf der rechten Rheinseite sozusagen ein Vorfeld, indem sie den Limes bauten. Dieser Limes, der ja heute noch in verschiedenen Abschnitten zu erkennen ist, verlief im Gebiet Westerwald/Taunus etwa auf der Linie von Hillscheid, Bad Eins, Becheln, Holzhausen an der Halde. Um 270 mußten die römischen Limesbefestigungen aufgegeben werden. Die Franken und Alemannen schlugen die Römer zurück auf die linke Rheinseite, wo sie bis zum Beginn des 5. Jahrhunderts blieben, um sich dann endgültig aus Germanien zu verabschieden. Man darf sich nun das Leben in der römischen Besatzungszeit durchaus nicht so vorstellen, als seien die vorher besiegten keltischen Stämme, die unseren Raum schon in der Zeit vor Christus bevölkerten, in sinnloser Unterdrückungswut von den Römern unterjocht und geschunden worden. Nein, man sprach sogar von einer eher vertraulichen Szenerie, in der die Kelten von den kulturell weit höher stehenden Römern viel lernen konnten, was sich später sogar auch die in das rechte Rheingebiet nachrückenden Germanen zunutze machten. Selbst als die Römer von der rechten Rheinseite bereits verdrängt waren, soll es noch einen recht regen Grenzverkehr zwischen Germanen und Römern gegeben haben, wobei die Germanen in den linksrheinischen römischen Provinzen Arbeit und damit eine Grundlage für die Ernährung ihrer Familien fanden. In Osterspai selbst sind bislang keine Zeugen römischer Präsenz gefunden worden.
Gleichwohl ist mit großer Sicherheit anzunehmen, daß auch auf unserem Gebiet sich römische Legionäre bewegt haben, denn es ist kaum vorstellbar, dass römische Soldaten nicht an die Gestade des Flusses gekommen wären, wo sie doch auf der Höhe eine ihrer Gottheiten verehrten. Dieser Gottesdienst vollzog sich in einem Merkurtempel, der von Professor Dr. Bodewig im Jahre 1906 im Walddistrikt Ginsterheck entdeckt wurde.
Vielleicht werden unsere Nachkommen ein mal einen Weg finden, wie man bei den zu ständigen Behörden Interesse für die Erhaltung von wichtigen Zeugen unserer Vergangenheit wecken kann. Bisher ist es leider nicht gelungen. Wenn die Römerzeit außer den baulichen Relikten Spuren in Osterspai hinterlassen hat, so zählen hierzu ganz sicher die Verkehrsanbindungen, wie sie teilweise bis ins 20. Jahrhundert bestanden haben. Erstaunlich im nachhinein, daß sich römische Eigenarten über rund 1800 Jahre hindurch halten konnten.
Wie ist das zu verstehen?
Entgegen vielfacher Vermutungen hatten sich die Römer in hiesiger Gegend weniger im Tal als auf der Höhe angesiedelt. Von den Römern angelegte und gut ausgebaute Straßen gab es vornehmlich im rechtsrheinischen Limesgebiet. Eine solche Straße verlief über die Rheinhöhe von Lahnstein nach Lorch. Zuwegungen gab es, um nur das uns unmittelbar berührende Gebiet in die Betrachtung einzubeziehen, von Braubach her über den sogenannten „Spalt“ und von Osterspai her über den Ellig (Elatio = zur Höhe hin). Diese Verkehrsstruktur aber bedeutete, daß die Römer wohl keine Veranlassung sahen, eine Straße entlang dem Rheinufer zu bauen, ein Zustand, der bis 1833 andauerte. Eine Straßenverbindung zwischen Osterspai und Braubach existiert erst seit diesem Jahr, als der Hofbeständer Jakob Klein erstmals mit einem Pferdefuhrwerk über eine mehr oder weniger unbefestigte Straße von Osterspai nach Braubach fuhr. Als schließlich der Fahrweg nach Braubach in einen asphaltierten Zustand versetzt wurde, schrieb man bereits das Jahr 1931. Fürwahr ein Rekord in der Erhaltung und Bewahrung römischer Zustände über eine Dauer von fast zwei Jahrtausenden.
Quellenangabe zum Text
Der Text ist teilweise aus dem Buch " Ortsgeschichte Osterspai " mit Genehmigung vom Herausgeber Karl Bender entnommen.
Chronologische Übersicht
2. Jhd. n. Chr.
Im Jahre 1906 wurden durch den Lahnsteiner Historiker Bodewig im Osterspaier Walddistrikt Ginsterheck die Reste eines Römischen Tempels aus dem 2. Jhd. n. Chr. sowie Teile einer Merkurstatue aus Sandstein entdeckt. Der Tempel bestand aus einem quadratischen Kultraum von ca. 5 m Seitenlänge, der umgeben war von einem offenen Säulenumgang. In der Nähe fand Bodewig auch die Reste von zwei römischen Gehöften.
3. – 7. Jhd. n. Chr.
Auf diese Zeit wurden Grabfunde datiert, die beim Bau der Eisenbahnlinie 1860 in der Nähe des Bahnhofs, dann bei Bauarbeiten wiederum am Bahnhof 1953 und bei der Ost-Erweiterung der Kirche 1957 gemacht wurden.
8. – 14. Jhd. n. Chr.
In den ersten Jahrhunderten dieses Zeitraumes gehört Osterspai zum Einrichgau bzw. zur Grafschaft Marienfels. In diese Zeit fällt auch die Herrschaft der Grafen von Arnstein über den Ort, die im 12. Jhd. endete. Es folgen als weltliche Herrscher Herren von Isenburg, Herren von Bolanden und Grafen von Sponheim.
Im späten 13. oder im 14. Jhd. wird die Alte Burg in Osterspai erbaut. Verschiedene kirchliche Klöster und Stifte sind im Mittelalter als Besitzer von Weinbergen belegt. Dazu gehörten u. a. das Koblenzer St. Florinsstift und das Rheingauer Kloster Eberbach, welches vor 1263 die Kapelle westlich der Alten Burg erbaute. Die unteren drei Stockwerke des Kirchturms sind ebenfalls noch aus mittelalterlicher Zeit erhalten.
vor 1400 – 1637
Zeit der Herrschaft der Herren von Liebenstein. Osterspai ist ein reichsunmittelbares Territorium geworden. In diese Zeit fällt die Erbauung des Vorgängerbaus von Schloß Liebeneck, vermutlich im Jahr 1590.
Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648) wurde Osterspai stark von Feuerbrünsten zerstört, denen auch die Kirche fast vollständig zum Opfer fällt. Einige der alten Fachwerkhäuser haben dieses Inferno jedoch überstanden.
1637 - 1792
Nach dem Aussterben der Liebensteiner werden die Freiherrn von Waldenburg Lehnherren von Osterspai. Gegen Ende des 17. Jhds. dehnt sich Osterspai in westlicher Richtung über das Burgareal hinaus weiter aus, das Oberdorf entsteht.
1777 – 1782 wird das Kirchenschiff neu erbaut und der alte Turm aufgestockt.
1793 – 1806
Nachfolger der Waldenburger werden im Jahr 1793 die Freiherrn von Preuschen, deren Nachkommen noch heute Besitzer der Alten Burg sind.
1806 - 1866
1806 werden sämtliche reichunmittelbare Gebiete aufgelöst, Osterspai kommt zum Herzogtum Nassau. An der Machtfülle der Freiherrn von Preuschen im Ort ändert sich dadurch allerdings nur wenig.
Die 1848er Revolution bringt auch in Osterspai das Herrschaftssystem vorübergehend ins Wanken, namentlich durch den hier wirkenden Pfarrer Koch. Dieser muß jedoch vor anrückenden nassauischen Truppen, die zur Unterstützung der Freiherrn von Preuschen aufmarschiert waren, fliehen. 1850 wird Koch zu einer einjährigen Zuchthausstrafe verurteilt, auch dem damaligen Bürgermeister Salzig und 10 weiteren Osterspaier Bürgern wird der Prozeß gemacht.
Im Jahr 1873 wird von der Familie von Preuschen das neue Schloß Liebeneck erbaut.
1866 – 1945
Nach dem Sieg Preußens über das von Nassau unterstützte Österreich wurden die nassauischen Gebiete dem Sieger zugeschlagen. Osterspai gehörte jetzt zur preußischen Provinz Hessen-Nassau.
Den Schrecken des Ersten Weltkrieg 1914 – 1918 fielen 26 Osterspaier Soldaten zum Opfer.
Die letzten jüdischen Familien verließen Osterspai bereits Jahre vor der Machtergreifung Hitlers 1933. Elmar Ries hat das weitere Schicksal einiger dieser letzten Osterspaier Juden - bis hin zum Transport ins Konzentrationslager und damit in den Tod - dokumentiert.
Im Zweiten Weltkrieg kamen 77 Osterspaier Soldaten um oder blieben verschollen. 2 zivile Kriegsopfer waren hier vor Ort zu beklagen.
Ende März 1945 wurde Osterspai von amerikanischen Soldaten befreit.
1945 – heute
Nach amerikanischer und französischer Besatzung wird Osterspai in Jahr 1946 Teil des neu geschaffenen Landes Rheinland-Pfalz. Anfänglich gehörte Osterspai zum Landkreis St. Goarshausen, der 1962 in Loreleykreis umbenannt wurde und dessen Nachfolge der im Jahr 1969 neu geschaffene Rhein-Lahn-Kreis übernahm.
Ebenfalls 1969 wurde die Verbandsgemeinde Braubach gegründet.